Gestern hatte ich die Gelegenheit, eine Benelli Imperiale 400 eine Nachmittag lang zu fahren. Wie ich in anderen Beiträgen bereits erwähnt habe, soll meine NC eine kleine Schwester bekommen. Die Überlegung, eine gebrauchte Maschine zu kaufen, habe ich recht schnell verworfen, weil Gebrauchte mit ABS (soll die Neue unbedingt haben) kaum wirklich günstig zu bekommen sind und mir 20 - 30 PS ausreichen. Also habe ich mich umgeschaut und 5 interessante Modelle gefunden, die unter 5000€ zu haben sind. Mit 4 davon habe ich eine Probefahrt gemacht.
1. Die Royal Enfield Meteor 350 / HNTR 350
Der Händler hatte nur die Meteor als Vorführer da, aber die hat denselben Antrieb wie die HNTR. Die Enfield ist ein braves Alltagsmotorrad. Sie fährt ordentlich, aber sie ist wohl als reines Nuzfahrzeug konzipiert und Fahrspaß kommt irgendwie nicht auf. Es ist nicht einmal ein Drehzahlmesser vorhanden und irgendwie erinnert das ganze an einen Standard Polo der ersten Baureihe, der in der einfachsten Version nicht mal einen Handschuhfachdeckel oder eine Beifahrersonnenblende hatte. Das mag für Indien passen, aber hier bekommt man in diesem Preissegment mehr für sein Geld. Eine Enfield wird es jedenfalls nicht.
2. Die Mash Five Hundred, dir nur eine Vierhunderter ist
Wunderschön anzuschauen, die SR 500 lässt grüßen. Fährt sich genau so schaukelpferdartig, wie die selige Yamaha, vibriert aber weniger. Was gegen sie spricht, obwohl sie sich trotz der unausgewogenen Federung ganz manierlich fährt, ist die Verarbeitung. Die Schweißnähte am Rahmen sehen aus, wie die ersten Versuche eines Lehrlings und man fragt sich unwillkürlich, ob das lange hält. Auch die Lackierung lässt stellenweise zu wünschen übrig. Im Netz war zu lesen, dass sie bei Shinneray gebaut wird und das spricht wohl am meisten gegen sie, denn dieser Hersteller ist zwar für günstige Preise, aber auch für stark schwankende Qualität bekannt. Weil ich keine Lust auf Glücksspiele beim Motorradkauf habe, fällt das optisch schönste Mopped bei mir auch durch.
3. Die Voge AC 300
Optisch kann sie mit der Konkurrenz erstmal nicht mithalten. Ich will nicht sagen, dass sie hässlich ist, doch der Stilmix ist zumindest gewöhnungsbedürftig. Aber Verarbeitung können sie bei Loncin offensichtlich deutlich besser. Da ist man fast auf japanischem Niveau. Also ausprobieren, wie sie sich fährt und siehe da, die Kleine macht richtig Spaß! Der quirlige Motor braucht zwar mehr Drehzahl, geht aber für seine Größe sehr munter ab. Das Fahrwerk ist straff, aber nicht unkomfortabel und das Maschinchen ist sehr handlich. Das Teil macht richtig Spaß, auch auf der Landstraße. Allerdings ist sie eigentlich nur ein Einsitzer, denn die Zuladung von ca. 150 Kg ist für 2 ausgewachsene Europäer zu gering. Auch die Mash ist da keineswegs besser. Die Enfield darf immerhni 170 kg zuladen. Gut, den 6. Gang hätte Voge sich sparen können, aber ansonsten ist ihnen ein tolles kleines Motorrad gelungen, das sich mit 300 ccm und 26 PS sogar recht sportlich bewegen lässt, solange man das Motörchen bei Laune hält. Man kann aber auch im Ort mit 2500 1/min dahintuckern, ohne dass die Kette schlägt, andererseits reichen die 130 Km/h noch für mittlere Autobahetappen aus. Die könnte es werden.
4. Die Benelli Imperiale 400
Auch die Imperiale ist ein Hingucker und war für mich die Überraschung schlechthin. Von den Leistungsdaten liegt sie am nächsten bei der Enfield und deshalb hatte ich nicht viel von ihr erwartet, aber es kam anders. Meine NC 700 s hat mich durch ihre Charakteristik zu einer ruhigen gelassenen Fahrweise erzogen. - Das war früher mal anders... Aber die Benelli setzt noch einen drauf: Mit ihr ist man tiefenentspannt unterwegs, freut sich am Klang des Einzylinders und cruist dahin, ohne überhaupt den Wunsch zu verspüren, kräftig am Gas zu drehen. Der Motor reagiert sanft auf Gasbefehle und zieht durch, ohne sich schwächlich anzufühlen. Man schaltet früh hoch und genießt die Sitzposition und das entschleunigte Fahren zumal der Motor erstaunlich wenig vibriert. Zwar sind immerhin 125 Km/h drin, aber das empfindet man bei der Imperiale nicht als artgerecht. Man fühlt sich am wohlsten bei 100, blickt auf klassische Rundinstrumente und stört sich auch nicht daran, dass die vordere Bremse etwas mehr Handkraft erfordert, als bei der Konkurrenz. Einzig die Leerlaufsuche gelingt wohl erst mit ausreichender Übung zuverlässig. Die Benelli darf 190 kg zuladen, wiegt aber auch 205 kg.
Fazit:
Die Entscheidung wird zwischen Benelli und Voge fallen, also kleiner Sportler oder nagelneuer Oldtimer. Die Beiden haben mir nämlich richtig Spaß gemacht, wenn auch auf völlig unterschiedliche Art und Weise. Nun muss ich mir nur noch darüber klar werden, was ich lieber möchte. Wie würdet ihr euch entscheiden - Funbike oder Cruiser?
Grüße vom Yeti