Neulich, vor ein paar Tagen:
Mein bester Kumpel, der von Motorrädern null Ahnung hat, stand mit mir in der Garage und als ich ihn fragte, welche ihm besser gefällt, deutete er auf die CB und sagte: "Die da sieht aus, najoh, wie ein Motorrad halt." Dann deutete er auf die Kawa und sagte: "Und die da sieht ja wohl ziemlich geil aus, oder?" Dann kam meine Frau dazu und sagte: "Ich finde ja, das ist ein Monster, die sieht echt fies aus." Worauf ich kombinierte: "Jau, dann ist das wohl ein fieses, geiles Monster."
Kawasaki Z900, Modelljahr 2020, mit Akra, Soziusabdeckung u. höherem Windschild ... Kurz zusammengefasst, es gab beim Händler ein kleines Terminkuddelmuddel bezgl. Inspektion der NC, und als Entschädigung für das fehlende Werkstattersatzfahrzeug hat man mir kurzer Hand eine Vorführmaschine mitgegeben. Die Z900 habe ich ganz bewusst gewählt, weil ich deren Werdegang seit ihrem Erscheinen mit Interesse verfolge und bisher keine Gelegenheit für eine Probefahrt hatte, bzw. nur mit dem Schwestermodell, der Z900RS. Die mir allerdings nicht so gut gefallen hat.
Alles, was man über die Z900 berichtet und erzählt. stimmt. Bereits nach wenigen Minuten in Bewegung dachte ich: Meine Güte, dagegen fährt sich meine eigene Maschine wie ein Sack Kartoffeln auf Schaumgummirädern. Was meine CB 1100 RS besser kann, ist daher schnell zusammengefasst: sie sieht schicker aus (subjektiv betrachtet), hat die bessere Hinterradbremse und eine vielleicht um 10% bessere Kupplung. Ich habe mehrere Vergleichsfahrten gemacht, jeweils beide Maschinen direkt nacheinander auf der gleichen Strecke. Das Ergebnis ist ein kleines Bisschen verstörend und die Unterschiede an sich sind bemerkenswert.
Natürlich hinkt der Kartoffelsackvergleich. Die Fahrzeuge sind grundverschieden in der Technik. Die Z900 ist eine verkappte 1000er (948ccm) mit knapp 100Nm/125PS. Im 6. Gang erledigst du jedes denkbare Fahrmanöver über 50 km/h zigmal müheloser, als mit der CB. Kein Wunder, sie wiegt vollgetankt ja auch schlappe 40kg weniger. Vom Fahrwerk her erinnert sie mich sehr an eine VFR, nur um eine Zehnerpotenz agiler. Die Sitzposition ist viel fahraktiver ausgerichtet und gleichzeitig bequemer. Es hat Fahrmodi und daran gekoppelte Stufen der Traktionskontrolle, sehr nützlich, wie ich festgestellt habe.
Ich war halt neugierig. Meine Fragestellung war: Wie muss ich die CB bewegen, damit sie eine ähnliche Dynamik entwickelt, wie die Z900? Und: geht das überhaupt? Natürlich geht das nicht! Das Monofederbein der Z ist denen der CB haushoch überlegen. Die 41er USD in der Grundeinstellung erzeugen ein sattes Gefühl und ein gutes Gespür für die Straßenbeschaffenheit. Der Motor der Z schiebt mit einer derartigen Mühelosigkeit von unten heraus, dass man vor Bewunderung in den Helm stöhnt. Da wird einem sofort klar, wer hier der Hase ist, und wer der Igel. Um die CB in diese Agilitäts- bzw. Performance-Zone zu hieven, muss man schon zwei Gänge runtersteppen, den Stier bei den Hörnern packen und nur hoffen, nie die Einflugschneisen zu verpassen - um dann feststellen zu müssen, dass man diesbezüglich trotzdem nicht in die Liga der Z vordringen kann.
Dabei geht's nicht um Geschwindigkeit, sondern ums Handling, um schöne Kurvenlinien und stabile Schräglagen mit Zuckerguss obendrauf. Die CB hat einen bärenstarken Motor, der vieles wettmachen kann, sehr schnurrig, sehr druckvoll, wenn es sein muss. Auch ist die CB viel zahmer ausgelegt, auch eine Spur kultivierter. Wer so eine CB fährt, weiß, was er an ihr hat. Was die Optik anbelangt: Das Sugomi-Design der Z-Linie von Kawasaki sieht schräg aus, sehr futuristisch und scheinbar unsinnig, ist aber tatsächlich ein ziemlich gut durchkonstruiertes Stück japanischer Ingenieurskunst. Die Sitzergonomie der Z900 ist hervorragend (für meine 175 cm), der Wind- und Wetterschutz ist wirklich erwähnenswert, die Aerodynamik ist für ein Naked Bike ziemlich ausgefeilt. Hier sind Form und Funktion bestens verheiratet.
Motor: dreht etwas höher, als jener der CB. Das Aggregat der Z900 verlangt bei 100 km/h im 6. Gang um die 4000 Touren, bei 120 km/h um die 5000 Touren. Im 6. Gang innerorts 50 km/h, liegt sie bei 2000 Touren absolut ruhig und stabil, da muckt gar nichts. Sie zieht dann am Ortsausgang sauber und ziemlich fix nach oben raus. Im 3. Gang bei etwa 3000 Touren liegt alles ruhig und stabil, kein Konstantfahrruckeln. Legst innerorts einfach den 4. Gang ein, 2500 Touren, und lässt rollen. Aber, egal welcher Gang oder welche Geschwindigkeit, die Maschine läuft ruhig und ohne erkennbare Anstrengung. Dreht man von etwas weiter unten heraus, etwa vom 4. Gang rauf und schaltet immer so bei 4000 Touren, steigert das die Suchtgefahr: das ist einfach mächtig viel Kraft, die da freigesetzt wird, und das heisere Fauchen des Vierzylinders wird sehr prägnant, ohne wirklich laut zu werden. So ist es auch beim Cruisen um die 100 km/h im 6. Gang relativ ruhig, der Klang ist sonor-souverän präsent, die Maschine lauert brav (aber nicht gierig) auf denn nächsten Gasbefehl - den man allerdings nur allzu gern erteilt.
Denn: Die Laufruhe ist insgesamt wirklich sehr erfreulich, aber mit einer ganz eigenen Komponente darin. Aus der tatsächlich vorhandenen Ruhe kann sich ganz schnell - wenn man denn möchte - ein Orkan entwickeln. Das liegt z.T. auch daran, dass alle Gänge inkl. dem 6. kurz übersetzt sind. Das ist insofern nicht schlecht, dass man dadurch eine ziemlich gut abgestufte Spannbreite an im wahrsten Sinne des Wortes "Gangarten" hat. Normalwerweise bewege ich die CB auf der Landstraße mit den Gängen 4-6, um in meinem zügigen Flow zu bleiben. Bei der Z900 habe ich dafür nur den 6. Gang gebraucht, weil der kein Overdrive ist, andererseits aber doch sehr laufruhig und unaufdringlich, gleichzeitg aber schubstark funktioniert - wenn du hier nochmals den Gashahn aufmachst, ist das ähnlich wie bei der CB, nur imposanter und einsatztauglicher. Andererseits ist ab dem 4. Gang oder etwa 4500 Touren dermaßen viel Druck im Spiel, dass man sich erstmal dran gewöhnen muss. In dem Zusammenhang erwähnenswert: Der originale höhere Zubehörwindschild war für meine Körpergröße okay, etwas Flattern im Kinnbereich. Aufrechter hingehockt, verschwanden die Turbulenzen. Mir würde also der Standardschild ausreichen - ist ja eh ein Naked Bike, da darf man nicht Wunder was erwarten.
Die Z900 kannst Du bist 10.000 Touren hochdrehen. Da sich das Fahrzeug aber noch in der Einfahrphase befindet, habe ich es bei maximal halbem Drehzahlband belassen. Aber das hat mir schon eine ziemlich eindrückliche Vorstellung davon gegeben, was machbar ist. Bis Hälfte Drehzahlband, also etwa 5000 Touren, habe ich in den Gängen 4-6 keine negativen Vibrationen - weder beim Beschleunigen noch bei konstanten Geschwindigkeiten - feststellen können. Höher habe ich wie gesagt nicht gedreht. In den unteren Gängen habe ich ebenfalls nicht so hoch gedreht. Also diesbezüglich keine Auffälligkeiten im Lenker/den Griffen, Sattel, Fußrasten oder sonstigen Punkten, wo der Körper mit der Maschine in Kontakt gerät (nur die Lenkerenden habe ich nicht separat gecheckt). Wenn überhaupt, dann vibriert die Z900, ohne dass man davon mehr mitbekommt als den Hauch eines Hauchs. Etwas mehr jedoch, wenn man von Last- auf Schiebebetrieb geht - in die Leistungsschleppe webt sich ein leises Grummeln ins Fahrzeug, aber das könnte auch vom Akra kommen. Schwer zu sagen. Stelle fest: Vibrationen sind betreff Z900 kein leidiges Thema. Der Motor ist diesbezüglich clean!
Meine Meinung von der Kawasaki Z900 nach ca. 370 Kilometer im Sattel: Ich vermisse sie schon jetzt und hätte sie gern zurück. Die Verbindung war eigentlich sofort da, unbedingtes Vertrauen, auch in die Bereifung (Dunlop Roadsport 2). Die Gasanahme ist die reine Freude, das Motorrad als Gesamtpaket so unglaublich harmonisch, dass man in Verzückung geraten kann. Natürlich, es ist "nur Mittelklasse". Zwar TFT, Ride by Wire, Fahrmodi, Traktionskontrolle, Smartphone-Schnittstelle und so'n Gedöns, aber eben auch viele Stellen, an denen Kosten eingespart wurden, Dinge, die Premium sind und dementsprechend den Preis in die Höhe treiben würden, sind halt nicht verbaut. Unterm Strich ist die Z900 ein schlichtes, extrem gut fahrbares Naked Bike, ein Power Roadster vorm Herrn und jetzt auch das Objekt meiner Begierde!
Gruß
Jörg