Gestern war's frisch mit 6°C, aber trocken mit einer Spur von Sonne. Also rauf auf den Bock und das Immunsystem stärken!
Meine Wahl fiel auf die CB 1100 RS, die ich für eine Stunde über meine abwechslungsreichste Hausstrecke bewegt habe. Solche Strecken, oft genug befahren, kennt man ja irgendwann aus dem Effeff, bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen. Manchmal habe ich ein Thema, eine Vorgabe bei Fahren, und gestern habe ich mein Augenmerk auf das Beschleunigungsverhalten und das Fahrwerk gerichtet. Als ich nach meiner Rückkehr nicht so recht zufrieden in der Garage stand und dem Knistern und Knacken der abkühlenden Zylinder lauschte, fiel mein Blick auf die NC-S, und der Gedanke, dieselbe Runde mit denselben Vorgaben zu fahren, war sofort da. Gedacht, getan!
Mit der NC-S (MJ15, 2 Zentimeter tiefer gelegt) kenne ich mich bestens aus, ich fahre sie seit dreieinhalb Jahren. Sie hat dieses besondere Talent, einem bereits ab den ersten Metern ein Lächeln zu entlocken - dieses Drehmoment vom Fleck weg: sensationell. So muss ich sie auch recht fix wieder einfangen, ich befinde mich noch auf einer Wohnstraße. Die CB ist auch fix dabei, jedoch um einiges unspektakulärer, da ist kein Schubgefühl, nur der Blick auf den Tacho zeigt an, dass die Nadel nicht minder schnell klettert, als die Digitalanzeige der NC. Der Schub von unten heraus bei niedriger Geschwindigkeit fühlt sich bei der NC besser an. Nach gut einem Kilometer durch die Innenstadt mit zwei Ampelstops verfestigt sich dieser Eindruck. Die CB kommt aus dem Stand nicht langsamer aus den Pötten, aber mit 1140ccm u. 90 Nm halt etwas zu souverän, als dass es aufregend wäre.
1:0 für die NC
Raus aus der Stadt, auf ein Landstraßenstück mit lang gezogenen Kurven. Mit zwei Fingern lässt sich die NC mit kurzem aber kräftigem Hebeldruck hochschalten. Im Vergleich zur CB mit ihrem Arrow-Sound herrscht unter mir relative Ruhe, bis im 6. Gang bei 100 km/h das metallische Klopfen einsetzt, das ein leicht untertouriges Fahren signalisiert. Bis dahin ist das Beschleunigungsverhalten tadellos, zwischen 3500 und 4000 Umdrehungen geschaltet, ist man fix dabei. Dreht man im 6. Gang am Gas, ist der Spaß jedoch sofort vorbei. Trotzdem, in diesem Grenzbereich sind die klopfigen Vibrationen des Zweizylinders keinesfalls unangenehm, und da man auf der Landstraße die Endgeschwindigkeit sowieso erreicht hat, sollte weiteres Beschleunigen nach Möglichkeit unterlassen werden.
Mit der CB geht alles noch ein wenig fixer, die Schalterei, das Beschleunigen, das Erreichen der Endgeschwindigkeit - selbige je nach Bedarf 1-2 Gänge niedriger (in der Warmfahrphase), so dass man bei Bedarf oder Laune ab 100 km/h in die Gänge 5 oder 6 schalten kann, wann es einem beliebt. Wo bei der NC fast ausschließlich der Fahrtwind sein Lied singt, schwillt bei der CB das dunkle Dröhnen der Arrow-Anlage deutlich an und signalisiert eine zunehmende Geschwindigkeit. Ab dem 6. Gang bei 100 km/h das Gas aufgemacht, setzt der sanfte, lineare Schub sofort wieder ein, nicht spektakulär, aber unaufhaltsam. Im Vergleich scheint die NC hier unterlegen zu sein, aber schaue ich genauer hin, lässt sich die Kraftentfaltung der NC etwas genauer dosieren, weil ich meine persönlichen Geschwindigkeitsvorgaben mehr an der Gangwahl und der jeweiligen Drehzahl festmachen muss. Das Beschleunigungsverhalten der CB hingegen ist eine Spur aufregender, gleichzeitig durch die hohe Elastizität des Motors auch vielfältiger kombinierbar bezüglich Drehzahl und Gangwahl.
Sind die 100 km/h überschritten, zeigt sich die Stärke der NC. Sie gleitet ruhig und gelassen auf das Ende des Drehzahlbandes zu, ohne auch nur einmal die Contenance zu verlieren. Ich persönlich finde, dieser lang übersetzte 6. Gang ist eine wunderbare Sache, vor allem auf Langstrecke und AB-Etappen. Dagegen wirkt der Vierzylinder der CB ab 100 km/h schon sehr angestrengt - er ist es nicht (!), aber die Geräuschkulisse dieses altertümlichen Kraftwerks nimmt merklich zu und gibt einem zu verstehen, dass man die Komfortzone hinter sich gelassen hat. Jetzt arbeitet die Maschine hart, zuverlässig zwar und noch absolut im Limit, aber halt auch mit viel Trara und Bummbumm. Im Endeffekt fühlen sich 120 km/h mit der CB so an wie 150 km/h mit der NC, also viel bemühter.
Wie groß fällt der Unterschied zwischen dem Langhuber der NC und dem traditionellen Reihenvierer der CB - bezogen auf "normales" Beschleunigen und bei höheren Geschwindigkeiten - für mich aus? Geringer, als ich zunächst dachte! Die CB punktet bei der mir eigenen gelassenen Fahrweise ein wenig beim Beschleunigen, die NC bei höheren Geschwindigkeiten. Interessanterweise schenken sich die beiden Maschinen bei Überholmanövern jedoch recht wenig. Mit der NC ziehe ich im 4. Gang mühelos an allen Dosen vorbei, nicht weniger zügig als mit der CB.
Gleichstand 1:1
Das Fahrwerk der CB schlägt das der NC-S in Sachen Wertigkeit um Längen, keine Frage. Zumal diese spezielle NC um 2 Zentimeter tiefer gelegt ist. Als Referenz kann ich noch die 2 NC-X ins Feld führen, die ich bereits gefahren habe, aber das relativiert unterm Strich nur in Nuancen. Aber wie sieht das im Einzelnen aus? Wann bzw. in welcher Situation spielt die CB ihre diesbezüglichen Stärken aus?
Vorweg festgehalten, die NC ist mit relativ neuen Pirelli Angel GT bereift, die CB mit etwas weniger frischen Dunlop Roadsmart 3. Die Eigendämpfung der RS3 ist spürbar besser, wie ich finde. Davon abgesehen, bügelt die CB auf der gewählten Referenzstrecke über alles hinweg, was der Asphalt an Widrigkeiten zu bieten hat. Der Fahrkomfort ist also ziemlich hoch, obwohl das Fahrwerk an sich keinesfalls zu weich abgestimmt ist. Die NC hingegen, das spürt man beim Umstieg ab den ersten Metern, sendet ununterbrochen eindeutige Signale durch den Steiß, meistens noch erträglich, aber hin und wieder auch näher am Limit des Fahrers.
Am vorderen Ende des Fahrzeugs lauert jedoch eine Überraschung: Die NC liegt bei Kurvenfahrten und schnelleren Geradeausfahrten viel stabiler. Gleichzeitig hat man mehr Gefühl für das Vorderrad und die Straßenbeschaffenheit. Zwar gestaltet sich das Einlenkverhalten der CB spielerischer (Lenkkopfwinkel 26°, Nachlauf 99 mm), aber auch merklich unruhiger, wenn es etwas forscher zur Sache geht. Während die CB mit einem ordentlichen Aufstellmoment bei fahrlässiger Handhabe reagiert, hat die NC dafür nicht mal das kleinste Zucken übrig. Zwar verursacht ihr Hinterteil manchmal einen etwas indifferenten Eindruck (insbesondere die X kann bei Bedarf ordentlich pumpen), aber nicht in der Art, dass es einen erhöhten Adrenalinausstoß verursachen würde (ähnlich der Tracer 700, wie mir gerade einfällt).
Die NC fährt sich also um einiges unkomfortabler, aber erstaunlicherweise stabiler. Das Gefühl von Fahrsicherheit ist größer, das Hineintasten in Grenzbereiche gestaltet sich einfacher, weil das Fahrverhalten an sich transparenter ist. Mit einer guten Bereifung ziehe ich die NC für schnellere bzw. sportivere Partien eindeutig vor. Wobei hier das Fahrzeuggewicht auch eine Rolle spielt, klar. Die CB-RS ist wie gesagt keine Sänfte, was ich schätze, aber die Kombination aus spielerischem Einlenkverhalten und relativ wenig Gefühl für's Vorderrad ist eine Herausforderung, wenn es bei schnellerer Fahrt um die Einhaltung der Kurvenlinie geht. Dahingegen hat die NC in den gleichen AB-Kurven so gut wie gar nicht gemuckt. Interessante Erfahrungen, die ich hier mache, zwischen "Brot und Butter" und "Premium", nicht wahr.
Daher auch hier Gleichstand 1:1
Fazit: Die CB ist von ihren Komponenten her betrachtet das höherwertigere Fahrzeug, in der Fahrpraxis kann die NC jedoch fast gleichziehen, wenn man mit ihren Eigenheiten vertraut ist und bereit ist, beim Fahrkomfort und Beschleunigungsvermögen kleine Abstriche zu machen. Würde man jedoch noch mehr ins Detail gehen, hätte die NC sicherlich noch den einen oder anderen Pluspunkt gegenüber der CB zu verbuchen. Was ganz allgemein auch damit zu tun hat, dass die CB ein Retrofahrzeug ist und dementsprechend auch ein Retrofahrgefühl vermittelt und somit möglichst auf "retro" gefahren werden sollte, damit ihre Vorzüge zur Geltung kommen können. Sprich, die CB ist in mancherlei Hinsicht limitiert in ihren Möglichkeiten. Auf der anderen Seite sehe ich mal wieder, dass man die NC-S nicht unterschätzen sollte. Sie kann so viel bei so wenigen Abstrichen - was auch ein fairer Vergleich mit den Konkurrentinnen ergeben würde, die näher an ihrer Preisleistungsklasse liegen.
Der obige kurze Apfel-Birne-Vergleich hat mich in meiner schon länger bestehenden Absicht bestärkt, im kommenden Frühjahr das Fahrzeug zu wechseln. Eine NC steht mal wieder ganz oben auf der Liste. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich damit richtig liege. Es sagt auch, ich soll es diesmal mit einer Schalter versuchen. Es sagt mir aber nichts zur Wahl zwischen X und S. Hm ...
Gruß
Jörg