Hallo Lorenz,
woher sollst du's wissen, aber ich bin von Beruf Motorradmechaniker, kann von daher also eine gewisse Sachkunde für mich beanspruchen.
Ich plappere auch nicht leichtsinnig daher, sondern mache nach wie vor alles an meinen Motorrädern selbst, außer Reifen aufziehen.
Eine Montage- und Auswuchtmaschine ist dann vielleicht doch eine etwas zu kostspielige Sache.
Das verschafft mir aber gleichzeitg die Freiheit, auch mal Dinge zu tun, die nicht im Lehrbuch stehen.
Als ich in diesem Beruf angefangen habe, da hat man Ketten alle 500km nachgespannt und beim Kundendienst sind die Ketten ausgebaut und in Öl ausgekocht worden.
Ich habe damals selbst Scottoiler eingebaut, ich kenne die Argumente im Wesentlichen.
Wir sind uns möglicherweise einig, dass ein Nachspannen der Kette in erster Linie deswegen notwendig wird, weil die Bolzen und die Innenseiten der Kettenrollen verschleißen.
Die Kettenrollen verschleißen an den Oberflächen sehr wenig, weil sie durch die Zahnflanken der Kettenräder kaum auf Reibung, sondern nur auf Druck beansprucht werden.
Auch Ritzel und Kettenblatt verschleißen nicht in der Tiefe, sondern an den Zahnflanken. Die Rollen sorgen mit der Drehung um die Bolzenachse während des Umlaufs über Kettenblatt und Ritzel (wo im Übrigen die größte Belastung der Kette entsteht) dafür, dass Reibung nur auf der Rolleninnenseite zum Bolzen auftritt. Der Verschleiß außen wird stärker mit dem Verschleiß der Zähne, weswegen man die Kettenblätter ja dann letztendlich auch austauschen muss.
Bei meinen eigenen Motorrädern ab 2012 und denen meiner Kumpels konnte ich feststellen, dass ein Nachspannen der Kette so gut wie nie notwendig war.
Hinterrad ausbauen, Reifen wechseln, Kettenspanner gar nie öffnen, trotzdem immer gleiche Position des Kettenspanners.
Ich habe mit fast 70.000km im Moment die dritte Ritzelgeneration auf dem Moped.
Ich habe nie die Kontermuttern der Kettenspanner öffnen müssen, seither, außer beim Kettenwechsel. Ich habe die zweite Kette, also die, die nie geölt wurde, nach 30.000km Laufstrecke, an mehreren Stellen aufgedrückt, und mir die Rollen und den Zustand der O-Ringe angesehen.
Kein übermäßiger Abrieb, die Rollen noch feucht, die Oringe nicht mehr komplett rund, aber offenbar dicht genug. Diese Beobachtung hat mich ermutigt, die nächste Kette nicht mehr zu erneuern, sondern nur noch die Ritzel.
Wie gesagt, das Fahrzeug hat jetzt 68.000km, die Ritzel und Kettenblatt vertragen sicher nochmal 10.000km.
Ich habe nach dem ersten Wechsel eines Kettensatzes gelegentlich Silikonemulsion auf das Kettenblatt gepinselt, weil ich den Gedanken, völlig ohne Schmierung zu fahren, einfach nicht aushielt. Aber kein Fett mehr.
Das war aber von der Menge und Häufigkeit so wenig, dass ich das nicht für relevant halte.
Ich muss noch dazu sagen, dass ich die Kette immer relativ stramm einstelle. Und zwar deswegen, weil der Lastwechsel beim Gas-geben und Gas-Wegnehmen bei der Integra immer mit einem Ruck verbunden ist, den ich persönlich nicht leiden kann.
Um das ein wenig zu optimieren, habe ich noch Gummibeilagen zu den Antriebsdämpfern im Hinterrad eingelegt, um das Spiel dort zu wegzunehmen. Auch das ist nicht regelkonform und erhöht die Belastung für den Antrieb zusätzlich.
Ich fahre nur im Sommer, nur bei schönem Wetter, meistens in den Alpen, gerne Pässe, je kurviger, um so besser, mit andaurndem Lastwechseln und viel Gepäck.
Ich habe das Motorrad derzeit teilzerlegt und habe alles nachgecheckt. Es ist in einem Super Zustand, gerade was die Hinterradaufhängung angeht.
Lorenz, es ist nicht automatisch falsch, wenn einer auf Grund jahrelanger Berufserfahrung und eigener Beobachtung die Lehrmeinung in Frage stellt.
Und mich hätte bis ins Detail interessiert, was denn an dem, was ich schreibe, nicht stimmt.
Ich lerne nämlich gerne dazu und vergleiche gerne meine Erfahrungen mit denen von anderen.
Insofern wäre ich an deinen weiteren Ausführungen ehrlich interessiert. Und vermutlich alle, die hier mitlesen auch.
Es geht mir nicht darum, wer den Größten hat, sondern ich will von deinem Wissen profitieren.
Meine Ansatz war: Wie komme ich weg von ölhaltigen Schmiermitteln in der Landschaft, von Spaydosen und dem ganzen Umweltscheiß der damit einhergeht.
Ich kann doch nicht so tun, als ob die ganzen wirklich erschreckenden Auswirkungen dieser Wegwerfmentalität nichts mit meinem persönlichen Verhalten zu tun hätten.
Deswegen halte ich das Wegwerfen eines Satz Kettenräder für besser, denn die sind alle voll recyclebar.
Ich fand das Ergebnis auch sehr überraschend, dass man das so machen kann.
Als ich die ersten 2000km in Südfrankreich unterwegs war ohne auch nur einmal nach der Kette zu sehen, das ist mir ganz schön gegen den Instinkt gegangen.
Aber die Ergebnisse waren so, hat mich selbst überrascht.
Danke für eure Beiträge, in der Hoffnung, dass noch mehr dazu kommen.
Gruß von Michael